Lucky aus dem Erdgeschoss

Praktisch von einem Tag auf den anderen wurde ich zur Besitzerin eines 4 kg schweren Yorkshire Terriers. Bei Rossi hatte ich mir im Vorfeld sehr viele Gedanken gemacht, welche hundischen Merkmale am besten zu mir und meinem Lebensstil passen. Bei Lucky gab es gar keine Überlegung, nur, dass ich wollte, dass er nach dem Tod meiner Tante ein gutes Zuhause bekommt. Eigentlich müsste ich sagen, ein Yorki passt gar nicht in unser Haus bzw. zu mir. Er ist soo zwart und zerbrechlich, er hasst Wasser, kann nicht neben dem Fahrrad laufen und als er einzog, traute er sich nicht alleine in den Garten und konnte keine Treppen steigen, was in einem Haus mit drei bewohnten Etagen ein bisschen doof ist. Aber der 4 kg Schuhkarton lernt dazu, oder er gleicht seine Mankos auf andere Art aus.

 

Lucky kriegt neues Selbstvertrauen

Ich weiß nicht genau, was meine Tanten mit Lucky angestellt haben, als er zu uns kam, war sein Selbstvertrauen gleich null. Er ging ohne Leine nicht einen Schritt zur Haustür raus. Gut, kann gut sein, aber er hatte gerade zu Schiss, über die Schwelle zu treten. Er wollte auch nicht durch die offene Tür in den Garten. In den Garten geht er mittlerweile alleine. Wenn die Terrassentür aufsteht, geht er gerne raus und legt sich in die Sonne, oder sagt dem neuen Hund unserer Nachbarn die Meinung. Sie haben seit einigen Monaten einen kalbsgroßen Goldendoodle und der ist Lucky gar nicht geheuer. Die vollständige Annäherung ist noch nicht gelungen. Aber wie hab ich mich gefreut, als Lucky in Schweden mit Otto, dem Hund meiner Freundin Annja, Freundschaft schloss und stundenlang (auch außer Sichtweite) mit ihm durch den riesigen Garten tollte und spazierte. Er benahm sich wie ein normaler Hund!!!

Die Annäherung mit Otto dauerte natürlich auch ein bisschen. Lucky war erstmal ziemlich garstig und suuper eifersüchtig. Wenn Otto zu uns kam und gestreichelt wurde, ging er dazwischen. Zum Glück wurden sie dann schnell Freunde und die Eifersucht war Geschichte. Am Ende hatte ich ziemliche Probleme, Lucky zur Abreise zu bewegen. Genau wie für Rossi war Schweden für ihn das Hundeparadies und er wollte nie wieder weg.

Lucky verlässt das Erdgeschoss

Lucky wiegt zwar nur 4 kg, aber da ich mir kurz vor seiner Ankunft den Ellbogen gebrochen hatte, brauchte ich eine Hand zum Festhalten beim Treppensteigen. Das machte es schwierig, Etwas (lebendes, zappeliges) die Treppen rauf und runter zu tragen. Anfangs wollte Lucky eh nicht mit nach oben und war ein reiner Erdgeschosshund, weil er dachte, meine Mutter ist sein neuer Lieblingsmensch und er wohnt unten bei ihr. Dann hat er sich das anders überlegt und all seine Liebe auf mich übertragen. Genau wie Rossi (es kann auch ein bisschen Eifersucht dabei gewesen sein), wollte er plötzlich in meiner Nähe sein und begann mir auf Schritt und Tritt zu folgen. Bis zur Treppe. Dann konnte er nur darauf hoffen, das ich ihn mitnehme.

Hab ich natürlich. Aber eines Tages, passierte irgendwas in der ersten Etage, es gab auf der Straße einen Knall oder so. Lucky bekam Angst und wollte ins Erdgeschoss flüchten. Das endete damit, dass er ganz alleine die Treppe runterlief. Das war eine einmalige Sache, aber ich dachte, er kann es eigentlich. Also hab ich extra für Lucky die Treppe umgestaltet und Sichtblenden in die offenen Stufen geklebt. Dann begann ich damit, ihn die letzten 3-4 Stufen vor der nächsten Etage abzusetzen und ließ ihm Zeit, sich zu überlegen, was er nun macht. Da das Ziel so nahe war, wagte er es und sprang schnell nach oben. Das ging mit der Zeit immer besser, er schaffte mehr Treppenstufen und begann mit seinem neuen Selbstvertrauen auch selbständig runterzulaufen. Und irgendwann war der Tag gekommen, da wollte er bei mir in der 1. Etage sein und weil er gerade keinen menschlichen Lift hatte, machte er sich alleine auf den Weg. Plötzlich stand er oben bei mir am Schreibtisch und wurde natürlich wie ein Held gefeiert.

Mittlerweile ist Treppensteigen überhaupt kein Ding mehr für ihn. Mit der Zeit hat sich auch bei einigen Stufen auf der Sichtschutz gelöst, fand er erst komisch, aber jetzt stört ihn selbst das nicht mehr. Er rennt mehrmals am Tag selbständig die Treppen rauf und runter und ist bei mir im Büro oder im Wohnzimmer bei meiner Mutter. Wo er gerade sein mag.

Lucky der Bademeister

Lustig, ich war davon ausgegangen, wenn Lucky Regen (HÖLLE, HÖLLE, HÖLLE!!!) und Baden hasst, dann will er auch nicht schwimmen. Das wäre aber in soweit kein Problem, weil man ihn anders als Rossi anbinden kann, ohne dass er aus dem Geschirr klettert und mir hinterher hechtet. Er würde einfach ganz entspannt am Ufer auf mich warten und mir beim Schwimmen zusehen. Dachte ich. Und dann ÜBERRASCHUNG! Wir sind an der Nordsee, das Wasser hat eine angenehme Temperatur und nur leichte Wellen. Ich gehe ins Wasser und Lucky dackelt (mit Clarissa am anderen Ende der Leine) hinterher. Es macht ihm Spaß im Wasser zu stehen und sich von den Wellen umspülen zu lassen.

2025 Lucky in der Nordsee

Also wage ich das Experiment, schnappe ihn mir und setze ihn in 30 cm tiefe ins Wasser. Lucky schwimmt! Er ist geradezu begeistert vom Schwimmen. Anschließend klappert er allerdings etwas mit den Zähnen. Sein Fell ist wirklich nicht als Neoprenanzug konzipiert. Aber vor lauter Begeisterung, in der Nordsee geschwommen zu sein, tobt er herum und wälzt sich in dem sehr feinen Sand. Ein warmes Handtuch bringt ihn schnell wieder auf Wohlfühltemperatur und den Sand kriegen wir in den nächsten Tagen auch wieder raus. Er verteilt ihn einfach im Wohnmobil… Wir waren zum Baden am Vejers Strand in Dänemark. Ein mehrere Kilometer langer Strandabschnitt, der mit dem Auto und auch Wohnmobilen befahren werden darf. Das war soooo cool!

2025 Lucky der Bademeister

Immer die Radfahrer!

Mit Rossi bin ich viel Fahrrad gefahren. Lucky kann mit seinen kurzen Beinchen, 12 Jahren und Herzproblemen natürlich nicht neben dem Rad herlaufen. Aber er sitzt ganz entspannt im Fahrradkorb. Das wiederum hätte Rossi komplett abgelehnt. Ich fahr jetzt also mit Lucky in die Felder und lass ihn dort ein paar 100 Meter freilaufen. Dann sammel ich ihn wieder ein und wir fahren weiter. Ich kann Radfahren und er schaut sich interessiert die Welt an. Wenn wir wieder nach Hause kommen, sind wir beide zufrieden und Lucky ist doch irgendwie ein Fahrradhund…

2025 Lucky fährt Rad

Schau mir in die Augen Kleines!

Fraglos sind Rossi und Lucky so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Rossi hat immer den Blick- und Körperkontakt mit mir gesucht. Wenn er nach einem Nickerchen die Augen aufgemacht hat, galt sein erster Blick immer mir. Lucky liegt in seinem Kuschelkissen und schläft, wird wach, steht auf, dreht sich um, legt sich wieder hin und schläft weiter, ohne einmal nach mir zu schaun, obwohl ich neben ihm sitze. Aber es wird langsam besser, wir haben inzwischen häufiger Blickkontakt und manchmal strahlt er mich geradezu an, wenn er mich sieht. Das sieht nach Liebe aus, oder?

2025 Lucky strahlt

Er kann aber auch verdammt sauer schaun – vorzugsweise nach dem samstäglichen Vollbad.

2025 Lucky frisch gebadet

Dann hat er natürlich auch den typischen mitleiderregenden Dackelblick drauf, oder er schaut traurig, wenn er im Auto auf mich warten muss. Weitere Spezialitäten sind der beleidigte, kecke, freche, herausfordernde oder der trotzige Blick. Richtig wütend ist er auch gelegentlich, aber dann sind immer andere Hunde oder gefährliche Menschen im Spiel. Was seine Mimik angeht, ist er auf alle Fälle deutlich vielseitiger und klarer als Rossi. Rossi hat entweder lieb, traurig, unschuldig oder böse (Gefahr!) geschaut.

Der zu heiß gewaschene Herdenschutzhund
Keine Ahnung warum, Rossi konnte nicht gut mit größeren Hunden und Lucky kann es noch weniger. Er wird geradezu zum Berserker, wenn wir einen großen Hund treffen. Ich denke, er glaubt, er muss mich beschützen!!! Während Rossi stehengeblieben ist, stocksteif wurde, gesträubte Haare und bösen Knurren oder Bellen, stürzt sich Lucky ohne Warnung und ohne eine Sekunde nachzudenken, direkt auf den anderen Hund. Egal in welcher Größe. Letztens hat er sich auf einen Schäferhund gestürzt. Der hat ihn (Gottseidank nur) ein bisschen zurückgezwickt und Lucky hatte seine erste kleine Kriegsverletztung. Seit dem scheint er noch mehr auf Krawall gebürstet zu sein. Ich hab schon alles mögliche versucht, ihm den Quatsch auszureden, er flippt total aus und hört nichts und niemanden mehr. Ich sag dann immer entschuldigend zu den anderen Hundehaltern, er ist ein gemeingefährlicher Herdenschutzhund. Als er letztens an der Elbfähre zwei große schwarze Labradore angehen wollte, meinte ihre Besitzerin lachend: Ja, er wurde zu heiß gewaschen 😀

Vorgestern in der Eisdiele wollte er mich auch vor einem bösen, bzw. aufdringlichen Menschen beschützen. Wir saßen da mit unserem Eis und ein Zeitungsverkäufer wollte sich nicht damit zufriedengeben, dass ich keine Zeitung von ihm wollte. Er wurde etwas aufdringlich und ließ sich nicht abwimmeln. Und d a n n … auf einem mal stürzte Lucky wütend bellend unter dem Stuhl hervor und wollte auf den Zeitungsmann los. Der hat sich voll erschrocken (wir auch) und sprang einen Schritt zurück. Luckys Leine war zum Glück nicht lang genug. Er hat auf alle Fälle deutlich gemacht, dass er keinen an mich ranlässt. Anscheinend hat er eine feine Antenne für meine Stimmungen, die zu dem Zeitpunkt einfach nur genervt war.

LUCKY MEIN HELD!

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