Die Möwen sind riesig und so wie sie im Tiefflug über einen hinwegsegeln, sind sie garantiert darauf spezialisiert, den Touristen die Butterbrote aus den Händen zu reißen. An jeder Ecke steht ein Eisbär und wartet darauf, dass er zum Millionsten Mal fotografiert wird – ich bin in Hammerfest…
An einem Samstag Morgen gegen 9 Uhr ist Hammerfest ein ziemlich trostloser Ort für Touristen, die was sehen und erleben wollen.
Die Geschäfte sind noch geschlossen und man sieht den Hurtigrutenausflüglern an, dass sie nicht wissen, was sie hier in Hammerfest Centrum anstellen sollen.
Der Reiseleiter hat sie einmal die Treppe hoch auf den Hügel oberhalb von Hammerfest gejagt. Tolle Aussicht. Und nun? Bleiben noch die Eisbären – sehr beliebt als Fotomotiv. Obwohl es in Hammerfest nie Eisbären gegeben hat, ist der große Polarbär das Stadtzeichen und überall zu finden.
Weil den Hurtigruten-Touristen an diesem trostlosen Samstag gegen 9 Uhr gar nichts mehr einfällt, wie sie ihren Landgang aufpeppen könnten, werden sie schließlich Mitglied im Eisbären Klub. Das ist irgendwie witzig. Werde ich mal Mitglied im Eisbärenklub, kostet einmalig knapp 200 Kronen. Davon wird der Unterhalt der Polar-Ausstellung getragen. Die Adelung als Mitglied wird durch Schulterschlag mit einem Walfischpenis vorgenommen. Dann bekommt man noch eine Urkunde und ein Abzeichen und ist für den Rest seines Lebens Mitglied in der Polar Bear Society. Wenn das nichts zum Angeben ist!
Also, ich war willig dem Club etwas Geld zukommen zu lassen und wollte für Rossi die Mitgliedschaft bezahlen. Aber sie haben ihn nicht ins Haus gelassen. Also ist keiner von uns beiden Mitglied geworden. Schade, wo Rossi doch Eisbären so toll findet. Und wo mir nach 10 Minuten auch nichts mehr einfiel, was ich um diese Zeit in Hammerfest anstellen könnte. Gestern Abend war deutlich mehr los. Da war Leben in der Stadt.
Hammerfest lag nicht direkt auf meiner Reiseroute vom Nordkapp gen Süden, geschätzter Umweg für einmal Hammerfest besuchen = 120 km. Aber mich hat es aus zwei Gründen dahin verschlagen. Erstens, weil ich wissen wollte, ob Hammerfest immer noch so ist, wie ich es in einem Reisebericht in den 80er Jahren gelesen hatte.
Der Autor beschrieb Hammerfest als eine Stadt, in der im Winter alle rund um die Uhr (ist ja eh egal, zu welcher Zeit man arbeitet, es ist immer dunkel) in der Fischfabrik arbeiten und in ihrer Freizeit nichts anzufangen wissen. So rückt man halt näher zusammen und im darauf folgenden Spätsommer werden viele kleine Hammerfester geboren. Das hat sich wohl geändert. Inzwischen scheint es auch interessantere Jobs als in der Fischfabrik zu geben. Und Schwangere hab ich gar keine gesehen.
Der zweite Grund, warum wir hergekommen sind, ist Rossi the dog. Nach der Kriebelmücken Attacke von vorgestern, hab ich beschlossen, dass wir nur noch am Meer mit Wind, ohne Mücken campieren werden. Und da sah es Richtung Hammerfest aussichtsreicher aus, schnell einen Campingplatz zu finden, als über den Fjell nach Alta.
Tatsächlich gab es aber keinen einzigen Campingplatz auf den 50 km bis hierher. Der erste Stadtcampingplatz in Hammerfest war geschlossen (Schild durchgestrichen) und 10 km außerhalb in Forsöld, wo es einen geben sollte, war noch auch keiner zu sehen. Fast wäre ich unverrichteter Dinge (keine heiße Dusche, heul) den ganzen Weg zurück gefahren. Dann hab ich glücklicherweise doch noch einen kleinen Campingplatz in Hammerfest gefunden. Endlich mal wieder heiß duschen. Alles andere war egal.
Irgendwo hab ich gelesen, dass Hammerfest die Boomtown in Norwegens Norden ist. Tatsächlich gibt es eine richtig lange Geschäftsstraße. Nur ist jedes zweite Geschäft in dieser Straße geschlossen und sucht einen neuen Mieter.
Beliebtestes Fotomotiv ist auf alle Fälle der große Eisbär im Süden der Stadt.
Nachdem wir uns von dem Tierchen getrennt hatten, ging es den ganzen Weg wieder zurück. Und ich hatte die Gelegenheit, mein Auto einem Elchtest zu unterziehen, als plötzlich ein (nicht sichtbares) Rentier rechts über die Betonmauer knapp vor mein Auto hüpfte.
Da oben sind wirklich viele Rentiere auf der Straße unterwegs. Und gar nicht scheu. Ist manchmal gar nicht so einfach, die von der Straße zu kriegen.