Manche Dinge hat man ständig vor Augen und verschwendet nicht einen Gedanken dran. Oder hast du schon mal über Siloballen nachgedacht? In der norwegischen Gemeinde Fjærland gibt es 25 Bauern die silieren, über ihre Siloballen nachdachten, ein Komitee gründeten und ein Rundballen-Festival ins Leben riefen.
Über die Hintergründe erfährt man auf einem Plakat am ehemaligen Fähr-Wartehäuschen in Fjærland:
Hier in Fjærland werden etwa 10.000 Rundballen jeden Sommer produziert. Das macht Fjærland zu dem Dorf Norwegens mit den wohl meisten Rundballen per Einwohner. Die Rundballen können draußen gelagert werden. Sie werden oft gestapelt und langs Kanten gelegt. (Steht da so)
Das macht die Rundballen zu einem neuen und sichtbaren Element in der Kulturlandschaft. Die Bauern und das Rundballenfestival haben dazu beigetragen, eben dieses in den Fokus zu rücken und Rundballen zu einer Kunst zu machen.“
Ja, so hab ich die Rundballen wirklich noch nie gesehen: Elemente in unserer Kulturlandschaft… Für mich lagen die einfach rum, weil sie halt irgendwo rumliegen müssen, bevor sie verfüttert werden.
Laut Info des Rundballenkomitees wird das Rundballenfestival „zu Ehren der modernen Kulturlandschaft, kreativer Bauern und lebender Dorfgemeinschaften jedes vierte Jahr gefeiert“. Die Aktivitäten und Veranstaltungen während der Festivals variieren, aber folgende Programmpunkte sind fix:
• Rundballen-Kunst
• Eine Bergtour, um die Kunst aus der Höhe zu sehen
• Rundballen-WM mit Ballen rollen und Hindernisparcour
• Traktoren-Ballet (um die Ästhetik des Traktors vorzuführen!!!)
• Tierausstellung
• Naturpfad, Hindernislauf und Aktivitäten für Kinder
• Seminare und Tagungen zu Ästhetik und Kulturlandschaft
Klingt ganz schön schräg, oder? Aber nun die schlechte Nachricht: nach der 4. Auflage scheint das Festival gestorben zu sein. Die Website ist inaktiv, auf der facebook Seite war seit 2015 auch nichts mehr los und der Rundballen-Blog ist ebenfalls eingeschlafen. Soweit ich Informationen finden konnte und es meine Norwegisch-Kenntnisse hergeben, gab es 2014 das letzte Festival. Über ein mögliches 2018er Festival hab ich nichts in Erfahrung bringen können.
Um die Rundballen zur Kunst zu erheben, war immer auch ein Künstler mit von der Partie. 2006 war das der Land-Art og bildekunstner Magne Vangsnes (würde ich als Landschafts- und Bilderkünstler übersetzen). Er wollte mit seinem Werk die ländliche Ästhetik hervorheben. Sein Werkstoff: 25 etwas verrückte aber kreative Bauern und 10.000 Siloballen.
Die Vorbereitungen gingen über mehrere Monate. Erstmal verschaffte sich Vangsnes einen Überblick, wo die Ballen normalerweise gelagert werden und was überhaupt machbar ist. Nicht alle Böden sind geeignet, um darauf 800-900 kg schwere Grasballen zu platzieren, außerdem musste mit den Ballen behutsam umgegangen werden, damit sie nicht kaputt gehen. Dann erstellte er einen Plan, machte Kopieren und verteilte sie an die Bauern. Deren Aufgabe war es nun, die Ballen an die im Plan eingezeichneten Punkte zu platzieren.
Das Ergebnis war ein zehn Kilometer langes Siloballen-Kunstwerk. Wie riesige Mosaiksteinchen, ließ Vangsnes die Ballen auf den gemähten Wiesen verteilen, sodass Symbole und Zeichen entstanden. Vom Boden aus war davon nicht viel zu erkennen, sodass die Leute spotteten, ob es Kunst für Vögel ist. Wirklich bewundern konnte man Vangsnes Werk tatsächlich nur aus der Luft, aber von oben sah es genial aus.
Dokumentiert wurde die Veranstaltung von dem renommierten Fotografen Oddleiv Apneseth. Nachfolgend einige seiner Bilder…
Rundballenkunst aus der Vogelperspektive —> Foto
Familienaufstellung vor dem Gletscher: Eine Hochzeitsgesellschaft in Tracht für das Familienfoto auf einer Rundballen-Tribüne —> Foto
Rundballen an Orten, wo sie eigentlich nicht hingehören —> Foto
Rundballen mit Botschaft —> Foto
Botschaften auf Rundballen findet man auch heute noch in der Gegend von Fjærland. Hier nun meine Fundstücke
Auf dem rechten Ballen steht auch eine Botschaft, leider etwas unleserlich. Zwei junge Norwegerinnen haben mir geholfen es zu entziffern, demnach wäre die Übersetzung, „Hier oben bin ich zu Hause“?
Fotograf Oddleiv Apneseth war dann 2010 der begleitende Künstler und arrangierte mit dem Material (Bauern, Traktoren und Siloballen) ziemlich schräge Fotoszenarien.
Die beiden Bilder sind in Fjærland ausgestellt – weshalb ich überhaupt auf dieses witzige Festival gestoßen bin. Schon vor dem Dorf, an der Vogelbeobachtungsstation, kann man sich über eines dieser beiden Bilder amüsieren.
Rundballen gegen den Rest der Welt: Traktorenaufstellung mit (wenn ich richtig gezählt hab) 26 Traktoren, je einem hoch gehieftem Ballen und nem mutigen Bauern oben drauf.
Am alten Wartehäuschen hängt das zweite Bild: Rundballen goes Christo – ein Bauer, sein Traktor und seine Rundballen im Hintergrund, allesamt in weiße Silier Folie verpackt.
Von dem Festival 2014 hab noch das Programm gefunden, aber sonst nicht viel. Demnach war Bewegungskünstler FrikarX mit dem Beitrag „Tanzen mit Rundballen“ dabei. Auf der Rundballen facebook-Seite hab ich Fotos von den Vorbereitungen gesehen, aber keine vom Festival.
Ja, schade, wenn das Festival tatsächlich gestorben ist, denn wenn ich mir die künstlerischen Beiträge anschaue, dann steckt in so einem Ballen doch viel mehr drin als nur Gras.
Das bringt mich drauf: Liebe Haunshofener Ochserer – ist das nichts für euch? Alle vier Jahre ein Ochsenrennen und dazwischen ein Rundballen Festival? Jede Menge Rundballen und ausreichend Platz sind ja vorhanden…