Meine erste Reise durch Lettland war eigentlich nur eine schnelle Durchreise. Auf meiner zweiten Reise hab ich dann schon ein bisschen mehr vom Land gesehen. Nur hatte ich (abgesehen vom Einkauf im Supermarkt) noch nichts von Lettland geschmeckt. Das hab ich jetzt bei einem kulinarischen Lettland-Abend in München nachgeholt.
Eingeladen hatten Air Baltic und der lettische Hotel- und Gastronomieverband. Aueßrdem waren verschiedene lettische Tourismuspartner mit von der Partie, wie LIVE RīGA und eine Event-Agentur, die uns Lettland als attraktive Destination für Incentive Reisen vorstellten. Jeweils zwischen den Präsentationen gab es einen feinen Gourmet-Gang, den ein extra aus Lettland eingeflogenes Köcheteam zubereitet hat.
Erster Eindruck bei kleinen Häppchen, die wir in der Küche futterten, bis alle Gäste da waren: Die Letten arbeiten gerne mit Zutaten, die man nicht unbedingt auf dem Teller erwarten würde. Im Backofen wurde Moos getrocknet, im Salat hab ich getrocknete Birkenblätter (?) und Tannennadeln entdeckt, Wachholderzapfen und Äste wurden abgeflammt, um einen gebratenen Stint mit dem Rauch zu würzen. Und generell spielt Fisch, Rote Beete und Roggenbrot eine wichtige Rolle in der lettischen Küche.
Ich hab mutig alles probiert und erst am nächsten Tag die Speisekarte gelesen.
Beim „Meet & Greet“ in der Küche gab es:
1. Blutwurst mit Rote Bete-Essig, Zwiebel und Lachskaviar auf geröstetem Brot. Die orangefarbenen Lachseier waren ziemlich groß und fest mit einem dezenten Fischgeschmack.
2. Blau- oder Grauschimmel (?) Ziegenkäse auf knusprigen Rote Bete-Chips (trés bien!)
3. Rote Bete-Cremesuppe (hab ich gleich ein paar Tage später nachgekocht! In einer Kettenreaktion hat auch meine Mutter Appetit bekommen und mich nach dem Rezept gefragt…)
4. Gebratener Stint in Semmelbrösel mit knusprigen Zwiebeln und geräuchertem Wacholder. Wie schon oben beschrieben, wurde der Wachholder (Äste und Zapfen) abgeflammt, damit der Rauch dem Fisch eine feine Rauchnote verleiht.
Weil ich Doof meine Kamera zu Hause gelassen hatte, kann ich lediglich anhand eines Stockfotos zeigen, wie gebratener Stint aussieht. Unserer war allerdings filetiert, ohne Schwanz oder Flossen und wurde auf einer kleinen Birkenholzscheibe serviert.
Die kleinen Fische werden etwa 15-20 cm lang. Ende Februar / Anfang März wandern sie in großen Schwärmen zum Ablaichen in die Flußunterläufe und werden mit Netzen gefangen.
Die nächsten Gänge bekamen wir zwischen den Präsentationen der Touristiker serviert.
Die Hauptgänge:
Los ging es mit einer hauchdünnen Scheibe heiß geräucherten Speck (dieser ganz fette, weiße Speck) mit knusprigen Perlgraupen, geröstetem Knoblauchpüree und Roggenbrotstreusel. Die Perlgraupen waren wie Puffreis „aufgepufft“. Serviert wurde dieser Gang in einer hübschen runden Pappdose mit Deckel.
Der nächste Gang brachte die Begegnung mit einem Neunauge. Der aalartige Fisch ist bei uns selten und geschützt. In Lettland ist der Bestand noch so groß, dass er in der Laichzeit mit Fischzäunen befischt wird – das weiß ich aus einem Anglerforum! Auf dem Foto sieht man das Neunauge als Ganzes.
Unser Neunauge war nicht gebraten, sondern eingelegt und in Streifen geschnitten. Serviert wurde er in einer runden, goldenen Konservendose an Senfcreme mit Saatenbrot-Crostini und Balsamessig. Mein neuer Lieblingsfisch ist er allerdings nicht geworden.
Mein Highlight war dann der nächste Gang: langsam eingekochtes Hirsch-Confit mit in Butter gerösteten Tannennadeln auf Sprossenbett. Ja, Tannennadeln kann man essen!
Danach gab es Lamm in Petersilienkruste an Selleriepüree und abschließend gebackene Kartoffeln mit Steinpilzsauce.
Zum Dessert hatten die Köche ein traditionelles lettisches Dessert mit Roggenbrot, Cranberries und Baiser zu kleinen Cakepops am Stiel modernisiert. Und zum würzigen Abgang gab es noch eine Chicoree-Creme mit Karottenchips und Roggenbrotstreusel.
Im April werde ich voraussichtlich die Gelegenheit haben, noch tiefer in die lettische Küche einzusteigen. Und dann gibt es auch „echte“ Fotos. Stay tuned…
Fast hätte ich’s vergessen: Birkensaft ist eine weitere typische Spezialität in Lettland. Um ihn zu gewinnen, werden im Frühling die Birken angezapft. Das wässrig süße Birkenwasser wird am besten frisch getrunken und soll aufgrund verschiedener Mineralien sehr gesund sein…