Bei Buchung unseres Appartements war ein Tagesausflug zur großen Mauer inbegriffen. Für uns war die Tour also mehr oder weniger gratis und wir haben uns gefreut, mal aus der Peking rauszukommen. Wer keinen Gratisausflug geschenkt bekommt, der sollte lieber auf eigene Faust zur Mauer fahren und auf keinen Fall nach Badaling!
Abfahrt:
Um 7 Uhr in der Früh wurden wir unten an der Straße abgeholt. Das war fein. Allerdings saßen wir als Erste im Bus und durften uns drei Stunden lang durch Peking fahren lassen, bis die anderen 8 Leute eingesammelt waren. Dabei kamen wir, ohne Übertreibung, 6 Mal an der verbotenen Stadt vorbei. Das Einsammeln war völlig unkoordiniert und als wir eigentlich komplett waren, bekam die Reiseleiterin einen Anruf, dass noch ein paar Leute mitkommen. Also noch mal an der verbotenen Stadt vorbei und dann noch mal, weil wir ja in die andere Richtung mussten.
Erster Stopp Jadefabrik:
Wir hielten nicht wie erwartet bei den Minggräbern, sondern vor einer Jadefabrik. Beim Aussteigen wurden uns Hundemarken in die Hand gedrückt. Warum haben wir erst nicht gepeilt. Wurde dann aber bald ersichtlich. Beim Kauf werden die Hundemarken abgegeben und die Reiseleiter erhalten eine Provision für jedes gekaufte Teil. Dementsprechend lange waren wir in der Jadefabrik. Als keiner was kaufen wollte, sank die gute Laune unserer Reiseleiterin – wir sollten sie übrigens Johnny nennen.
Zweiter Stopp bei den Minggräbern
Um einmal durch die riesige Anlage zu traben, hatten wir exakt 1 Stunde. Das ging also im Eiltempo. Clarissa ist hinter der Truppe her getrabt, ich hab mich nach Absprache mit Johnny (was ihr nicht sonderlich gefiel) abgesetzt und mich alleine umgeschaut. Als ich zur verabredeten Zeit wieder am Bus erschien, war Johnny noch grantiger, weil sie die Tour diesmal in 50 Minuten geschafft hatte und 5 Minuten auf mich warten musste. Danach hatte ich bei ihr verschissen.
Insgesamt gibt es 13 Ming Gräber, die etwa 50 km von Peking entfernt sind. Davon können aber nur zwei oder drei (?) besichtigt werden. Wir waren in Changling. Auf dem nächsten Foto links vor den Bergen sieht man ein weiteres Grab.
Souveniers gab es natürlich noch und nöcher zu kaufen. Manche davon konnte man bei der Hitze grad gut gebrauchen.
Andere dagegen überhaupt nicht.
Dritter Stop bei Dr. Mabuse:
Im Tourpreis von etwa 20 Euro war auch ein warmes Mittagessen. Dazu fuhren wir wieder zurück in Richtung Peking. Kurz vor Peking, beim TCM-Zentrum (Medizinisches Zentrum für traditionelle chinesische Medizin) angekommen, wurden wir von einer Horde Chinesen in weißen Kitteln empfangen und bekamen wieder eine Hundemarke zum Einkaufen. Das Gebäude hatte den Flair einer VEB-Kantine aus DDR-Zeiten. Beim TCM kann man sich nicht nur kurieren, sondern auch abfüttern lassen. Immer den Weißkitteln nach ging es in einen großen Saal, der auch die chinesische Oper hätte sein können.
Gegen das Essen war nichts einzuwenden. Es war so, wie wir es aus chinesischen Restaurants in Deutschland kennen, also lecker. Um uns rum stand eine Horde kichernder Schulmädchen, die wohl versuchen sollten, beim „Kellnern“ ein bisschen Englisch zu praktizieren. Klappte aber nicht so richtig. Vor allem hatten sie noch weniger Ahnung davon, was bei Tisch benötigt wird, als von Englisch 🙂
Gut verdaut ging es zur einen Türe aus dem medizinischen Zentrum raus und zu einer anderen wieder rein. Dort stand ein chinesischer Weißkittel (Dr. Mabuse) und wir erfuhren, dass wir von ihm etwas über die traditionelle chinesische Medizin erfahren würden.
Was wir erfahren haben, wissen wir nicht. Der Mann sprach ein völlig unverständliches Englisch. Nach 2 Minuten hat ihm keiner mehr zugehört. Nach einem 10-minütigen Vortrag hat er uns in eine Art Konsultationszimmer gebracht, wo er wohlgemut noch einen 15-minütigen Vortrag hielt. Wir saßen hinten auf Holzbänken und blickten nach vorne auf 2 kleine Kabinen mit einem Bambus-Rollo davor. In den Kabinen saßen völlig teilnahmslos zwei weitere Weißkittel, die dem Mabuse-Geschwafel keinerlei Beachtung schenkten. Wir wurden derweil immer wieder von jungen weiblichen Weißkitteln mit grauenhaftem Tee abgefüllt. Sollte sehr gesund sein.
Dann war Dr. Mabuse mit seinem Vortrag fertig und wir erfuhren, dass wir jetzt die beiden Ärzte, denn das waren die beiden, für ein Beratungsgespräch konsultieren konnten. Auf dem Programm standen Iris- und Handdiagnostik und Ratschläge für eine gute Lebensführung. Wir sind schnurstracks geflüchtet, aber ein paar Leute aus unserer Truppe ließen sich von den berühmten Kapazitäten in die Augen schauen, und jeweils eine Dolmetscherin übersetzte den Patienten dann, was der Meister gesagt hat. Klingt lustig, war aber ziemlich gruselig.
Mit unseren Hundemarken hätten wir diesmal Medizin und Tees kaufen können. Da das aber keiner wollte, wurde die Reiseleiterin Johnny noch ein bisschen grantiger.
Vierter Stop Badaling – die große Mauer:
Endlich die große Mauer, zu der wir eigentlich gewollt hatten. Nie wieder. Da der restaurierte Mauerabschnitt bei Badadling nicht so weit von Peking entfernt ist, fahren hier alle hin. Das klingt nicht schlimm, aber es quetschen sich tausende von Menschen auf der Mauer herum. Nach dem endlosen Herumgeschaukel im Bus, waren wir schon völlig geschafft und kamen um 2 Uhr Nachmittags in Badaling an. In der größten Mittagshitze! Der Canadier aus unserer Truppe drückte es so aus: 35 Grad im Schatten, aber gefühlte 50. Besser kann man es kaum formulieren.
Bevor man in die Nähe der Mauer kommt, geht es erst mal vorbei an Gehegen mit Schwarzbären. Die armen Viecher sitzen in der sengenden Sonne in einer Grube mit einer hohen Mauer drum rum. Kein Schatten, keine Rückzugsmöglichkeit. Von oben bekommen sie von den Touristen Gurken- oder Tomatenstückchen zugeworfen, die sie mit viel Geschick fangen. Was soll man in der Grube sonst auch anfangen… Die Stückchen liegen auf Tellern auf der Brüstung und wer den Bären etwas zu werfen will, muss dafür zahlen.
Mir taten die Viecher voll leid. Aber eigentlich ging es ihnen noch ziemlich gut. Die meisten ihrer Artgenossen werden in Farmen gezüchtet und in engen Käfigen gehalten, um von ihnen Galle zu melken. Der Gallensaft enthält Ursodeoxycholsäure, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (Dr. Mabuse lässt grüßen) zur Behandlung von Augen- und Leberbeschwerden eingesetzt wird. Um an den Saft zu gelangen, bekommen die Bären durch den Bauch einen Katheder eingesetzt, über den zweimal täglich Gallle abgezapft wird. Die Säure lässt sich auch synthetisch herstellen, aber das lässt sich vermutlich nicht mit dem Begriff „Traditionell“ vereinbaren. Das ist so krank, das ich gar nicht drüber nachdenken darf.
Also die Bären in Badaling, die ich so bedauert hab, haben ein wundervolles Leben!
Wir wurden jedoch angetrieben, geradewegs zur Schleppsessel-Station zu gehen und nicht bei den Bären stehen zu bleiben. Wir hatten nämlich nur 2 Stunden für die Mauer. Und Johnny musste ihre Nebeneinkünfte noch aufbessern, indem sie uns zum Kauf von Tickets für den Schleppsessel nötigte. Die Leute, die trotz der Hitze zu Fuß zur Mauer hochsteigen wollten, wurden überzeugt, dass die Zeit dafür nicht ausreicht.
Dann haben wir von unseren 2 Stunden ungelogen 1,5 in einer Warteschlange im Gedränge verbracht, um mit dem Schleppsessel auf die Mauer und wieder runter zu kommen. Dabei brannte uns fast die Sonne das Hirn aus den Schädel, denn wir hatten natürlich keinen Sonnenschirm dabei, wie die hundert Chinesen vor und hinter uns.
Die Tickets für dieses Vergnügen waren nicht im Preis inbegriffen. Die 60 Yuan für die Berg- und Talfahrt sind ein beachtlicher Preis, wenn man bedenkt, dass der ganze Tagesausflug inkl. Mittagessen nur 200 gekostet hat. Unsere Reiseleiterin hat uns die Schleppsessel so dringend empfohlen, dass sie zweifelsohne an den Tickets verdient hat. Danach war sie wieder etwas vergnügter. Allerdings waren wir alle stocksauer und völlig fertig, weil in der brütenden Sonne in einer Warteschlange eingequetscht zu sein, keinen Spaß macht.
Oben angekommen war es auch nicht besser. Wir waren der Sonne noch ein bisschen näher und standen jetzt zwischen Tausenden von Menschen auf der Mauer eingequetscht. Horror pur. Auf der Mauer sind wir auch nur 10 oder 15 Minuten geblieben. Dann haben wir noch mal 30 Minuten in der Warteschlange für die Talfahrt gestanden. Als wir unten ankamen, waren wir mehr oder weniger tot und stocksauer.
Irgendwie kam das Erlebnis Große Mauer total zu kurz. Uns war das imposante Mauerwerk schlichtweg egal, wir wollten da nur schnellstmöglich wieder weg.
Würde ich noch mal einen Ausflug zur großen Mauer machen, würde ich mich mit dem Taxi hinbringen lassen. Wenn man sich mit 3-4 Leuten zusammenschließt, ist es viel billiger als mit einer organisierten Tour.