Es ist viel geschehen seit der IOC-Entscheidung für Peking. Und es soll noch viel geschehen: Die ganze Stadt ist eine Baustelle und bereitet sich auf die Olympiade vor. Alles wird neu und höher und noch höher. Überall wird abgerissen. Ganze Stadtviertel werden dem Erdboden gleich gemacht.
Vor dem Aufbruch steht der Abbruch
Platz für neue Hochhäuser und Wolkenkratzer mitten in der Stadt zu schaffen, ist für die Chinesen kein Problem. Weg mit dem Stadtviertel. Dass da Menschen aus ihren angestammten Häusern vertrieben und aus ihrem Familiengefüge gerissen werden… wen juckt’s?
Betroffen von dem Bauboom sind vor allem die Hutongs, traditionelle alte Häuser mit kleinen Innenhöfen in einem engen und verwinkelten Gassensystem.
Aber auch viele ältere Hochhäuser werden geräumt und abgerissen. Die Viertel sind die reinsten Geisterstädte. Hier ließen sich erstklassige Horrorfilme drehen. Die Häuser sind halb zerfallen, die Fenster und Dächer sind kaputt, die Wände eingebrochen, aber bis das Abrisskommando kommt, werden viele Wohnungen und Häuser noch bewohnt. Inmitten dieser Geisterviertel hängt Wäsche auf der Leine, wird Gemüse gezüchtet und Nachts schimmert Licht aus den Ruinen. Und so sieht es praktisch an jeder zweiten Straßenecke aus.
Das Abriss-Szenario inmitten neuer Hochhaus-Blocks und supermoderner Shopping-Malls ist wirklich schwer zu ertragen. Während unserer 10 Tage haben wir in einem modernen Appartement in einem riesigen Hochhauskomplex gewohnt. Rechts und links von dem Block (Peking ist in lauter quadratische Viertel angelegt) gibt es nur Ruinen.
Vor der Reise hatten wir uns Peking mit Google Earth angeschaut. Es war nicht ganz einfach unser „Hostel“ zu finden. Die Straßen sind nicht beschriftet und wir hatten nur den Anhaltspunkt, dass das Haus südwestlich von der verbotenen Stadt liegt. Aber wir haben es dann doch geschafft. Auf den Google Earth Bildern (stammten von 2007), sind die Hutong-Viertel ringsum noch völlig in Ordnung. Als wir ankamen, waren sie es nicht mehr. So schnell geht das in Peking.
Gestern noch ein Grill, heute eine Grill-Ruine
Am Rand der Hutong-Ruinen vor unserer Haustüre, wurde in einer halb zerfallenen Hütte noch ein kleiner Imbiss betrieben und Fleisch am Spieß gegrillt.
Den einen Abend war der Grill noch da, am nächsten Morgen war er verschwunden. Auf dem Dach kletterten Arbeiter in Sandalen und ohne Handschuhe und rissen das Haus von Hand ab. Der Bauschutt wurde anschließend per Fahrrad-Anhänger abtransportiert. Am Tag drauf waren die Arbeiter und auch das Haus verschwunden.
Einigen wenigen Vierteln bleibt dieses Schicksal hoffentlich erspart, sie stehen unter Denkmalschutz und werden als Touristenattraktion vermarktet. Allerdings ist es nicht ganz einfach, und auch ein bisschen spooky alleine in die Hutongs vorzudringen. Zum einen wird man gleich von Rikschafahrern umlagert, die einen durch die Hutongs kutschieren wollen, zum anderen sind die Gassen so eng und verwinkelt, dass man Gefahr läuft sich darin für Tage zu verlaufen. Und in so einem engen Gassensystem von allen Leuten angestarrt zu werden, ist auch kein übermäßig behagliches Gefühl. Wir haben uns deshalb leider nicht „reingewagt.“